Logan - The Wolverine
Filmbewertung: ausgezeichnet
Starttermin: 02.03.2017
Regisseur: James Mangold
Schauspieler: Hugh Jackman, Sir Patrick Stewart, Dafne Keen
Entstehungszeitraum: 2017
Land: USA
Freigabealter: 16
Verleih: Fox
Laufzeit: 137 Min.
Auf dem Weg zur Erlösung
"Logan" auf der Berlinale? Dass der zuletzt immer müder gewordene Superheld aus dem Popcorn-Kinoversum im Wettbewerb (freilich außer Konkurrenz) des traditionell politisch und sozial engagierten Filmfestivals auftauchte, mag auf den ersten Blick überraschen. Bei genauerem Hinsehen jedoch passte der starke Abschluss der Wolverine-Trilogie ziemlich gut in den Berlinale-Jahrgang 2017. Er setzte nicht nur einen blutroten Schlusspunkt, sondern baut für die moralischen und ethischen Themen des Festivals, für Flüchtlinge und Grenzüberschreitungen, eine Brücke in die Multiplexe. Dass die ziemlich tragfähig ist, liegt auch, aber nicht nur am grandios-grantigen Hauptdarsteller Hugh Jackman in einer würdevollen Abschiedsvorstellung als Wolverine.

Es ist vor allem Regisseur James Mangold ("Walk The Line") zu verdanken, der aus dem zehnten Film der "X-Men"-Reihe seit dem Jahr 2000 mit Mut zur Provokation und gegen jede Blockbuster-Konvention ein düsteres, realistisches und intimes Roadmovie und einen apokalyptischen Anti-Western machte - mit Gewalteskalationen, die so unerträglich brutal wie unvermeidlich sind. "Logan" nimmt sich mit einem reduzierten Handlungskorsett viel Zeit für seine Figuren und erlaubt sich eine Konsequenz und eine emotionale Intensität, wie man sie in Comic-Verfilmungen noch nicht gesehen hat.

Dreckig und staubig ist es im Jahr 2029 im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko, wo sich der sichtlich gealterte Logan (Jackman) in einer Welt voller Yolos als Chauffeur einer Luxus-Limousine verdingt, sich nach Dienstschluss besinnungslos säuft und in lichten Momenten für Charles Xavier (Sir Patrick Stewart) sorgt. Mit Professor X und dem seherisch begabten Caliban (Stephen Merchant) lebt Logan in einer Art WG - sie sind nach den Kriegen der vergangenen Jahre wohl die letzten Mutanten auf der Welt. Doch dann taucht die zehnjährige Laura (Dafne Keen) auf.

Das Mädchen ist Logan in vielerlei Hinsicht ziemlich ähnlich und will sich von Wolverine zu einem sicheren Ort am anderen Ende der USA bringen lassen. Laura wird im Auftrag einer Gen-Firma von einer Privatarmee unter der Leitung des Cyborgs Donald Pierce (Boyd Holbrook) gejagt. Auf dem Weg nach North Dakota wird der Reisegruppe natürlich kein roter Teppich ausgerollt. Wenngleich sich jeder Teppich, den sie betreten, blutrot färbt. Laura und Logan müssen öfter die Krallen ausfahren, als sie wollen. Aber das machen sie in aller Konsequenz. Regisseur James Mangold hat bei der Inszenierung der Kampfszenen auf jede Zurückhaltung verzichtet.

Wenn sich die Klingen durch Gesichter bohren, wenn Köpfe und Gliedmaßen abgetrennt werden, dann sind das kaum erträgliche Bilder. Der Gore-Faktor ist unvermeidlich, er illustriert wirkungsvoll die Konsequenzen des Tötens, mit den Logan seit Jahrhunderten klarkommen muss und die nun auch Laura nicht erspart bleiben. Es gibt keine Helden mehr, es gibt nur des Lebens müde Kampfmaschinen und ihre Kinder, die nichts anderes gelernt haben, in dieser düsteren Zukunftsversion einer unerträglichen Gegenwart, deren Schlüsselszene fast schon ein Flehen ist.

Auf ihrem Roadtrip durch ein Amerika voller Spaß suchender Menschen, Selbstfahr-Lkws und Feldern mit Gen-Mais werden Logan, Laura und Professor X von einer Farmersfamilie aufgenommen. In deren Haus erleben die Renegades zum ersten Mal seit Langem, oder im Falle von Laura zum ersten Mal überhaupt, so etwas wie Normalität: eine Familie beim Abendbrot, gastfreundlich und herzlich. Das Leben könnte so schön sein, wenn es die Welt da draußen nicht gäbe. Die allerdings ist unerbittlich.

So kann "Logan" gar nichts anderes sein, als ein Requiem für all die Superhelden, die sich den Tod herbeisehnen - und denen am Ende die Erlösung gewährt wird. Der Preis dafür ist freilich hoch. Nicht für Wolverine, aber für Laura und ihre X-Kids-Freunde, denen die Welt leider nicht erspart bleibt.

Von Andreas Fischer