Timm Thaler oder das verkaufte Lachen
Filmbewertung: akzeptabel
Starttermin: 02.02.2017
Regisseur: Andreas Dresen
Schauspieler: Arved Friese, Justus von Dohnányi, Axel Prahl
Entstehungszeitraum: 2016
Land: DE
Freigabealter: 0
Verleih: Constantin
Laufzeit: 103 Min.
Justus von Dohnányi
Lachen ist Privatsache
Justus von Dohnányi (56) ist ein künstlerisches Chamäleon. Der preisgekrönte Schauspieler, ist keiner, der sich auf eine Rolle festlegen lässt, genauso wenig wie auf Genres: Seinen cineastischen Durchbruch feierte der spielfreudige Sohn einer berühmten Künstlerfamilie als sadistisch veranlagter Wärter in "Das Experiment" (2001). In der Folge überzeugte er in Nazi-Epen wie "Der Untergang" (2004), brillierte dann als schräger Schlagerstar in der Komödie "Männerherzen" (2009), um 2012 mit "Ludwig II." wieder zum Historienfilm zurückzukehren. Nach Erfolgen wie "Hanni und Nanni 3" (2013) und "The Monuments Men" (2014) ist der umtriebige und äußerst höfliche Darsteller nun unter der Regie von Andreas Dresen in der Neu-Adaption von "Timm Thaler oder das verkaufte Lachen" zu sehen, wo er überzeugend den Mephisto namens Lefuet gibt.

AZ: Herr von Dohnányi, haben Sie heute schon gelacht?

Justus von Dohnányi: Ja, schon eine ganze Menge. Zum Glück! Ich finde auch, das gehört dazu. Es gibt allerdings auch gute Gründe, nicht zu lachen - zum Beispiel, wenn man nach Amerika schaut. Andererseits hilft Lachen auch, wenn es Probleme gibt; die sollte man am besten weglachen, sofern es möglich ist. Eigentlich hat man eh nur die Wahl zwischen Lachen und Verzweiflung.

AZ: Würden Sie sagen, dass Sie also eher ein lustiger Mensch sind?

von Dohnányi: Ich würde sagen, dass ich Freude an den unterschiedlichsten Formen von Humor habe. Ich mag den dummen Kalauer, aber auch den intelligenten Witz.

AZ: So etwas wie ein Lachseminar brauchen Sie also offenbar nicht ...

von Dohnányi: Nein! Noch mehr lachen sollte ich wirklich nicht.

AZ: Jetzt spielen Sie in "Timm Thaler" einen Mann, der nicht lachen kann. Wie sind ausgerechnet Sie zu der Rolle gekommen?

von Dohnányi: Ich wurde über meine Agentur für ein Casting angefragt. Tatsächlich waren aber keine anderen Kandidaten dabei. Man wollte anscheinend nur bestätigt wissen, ob das mit mir was wird. Ich traf mich dann ein paarmal mit Andreas Dresen, weil die Konstellation mit dem jungen Timm Thaler ja passen musste. Wir machten dann ein paar Probeaufnahmen, und ich verliebte mich dabei so in die Aufgabe und in die Rolle, aber auch in Dresen, dass ich sagte: "Das möchte ich unbedingt machen!"

AZ: Sie verliebten sich in Andreas Dresen? Inwiefern?

von Dohnányi: Er ist ein Regisseur, der sich im guten Sinne altmodisch mit der Rolle und dem Schauspiel auseinandersetzt. Er macht ausgiebig Proben und arbeitet an den Texten, weil er immer wieder ausloten möchte, ob es eine bessere Alternative gibt. Seine Stärke am Set ist, allen das Gefühl zu geben, dass sie wichtig sind und dass ihre Aufgabe geschätzt wird. Er verlangt einem viel ab, aber dafür bekommt man viel Anerkennung. Das macht er geschickt und nicht aus Berechnung, sondern weil es seine Art ist. Und das ist außergewöhnlich.

AZ: Außergewöhnlich ist auch, was Andreas Dresen aus der Vorlage machte ...

von Dohnányi: Ja, es ist ein sehr anspruchsvolles Projekt. Es ist kein Mainstream, wie man das heute von vielen Kinderfilmen gewohnt ist, die meist eher auf Action und auf Komödie bedacht sind. Es ist eher ein Film mit einem guten Gedanken dahinter und mit sehr anspruchsvollen sozialen Komponenten.

AZ: Die TV-Serie "Timm Thaler" wurde in den 80er-Jahren ausgestrahlt, mit Tommy Ohrner und Horst Frank in den Hauptrollen.

von Dohnányi: Ich muss gestehen, ich verfolgte die Serie damals nicht. Ich war 19 und einfach mit anderen Dingen beschäftigt. Über YouTube holte ich es nun nach, hatte dabei aber das Gefühl, dass es durch die Erzählweise eine andere Geschichte ist und eben aus einer anderen Zeit stammt. Mir half das für meine Rolle nicht weiter, also ging ich es lieber unbelastet an und schaute ganz neu darauf.

AZ: Was war Ihnen bei Ihrer Interpretation der Rolle wichtig?

von Dohnányi: Der Lefuet in unserer Geschichte ist einer, der durchaus defizitäre Momente hat, der erst unzufrieden war mit seinem Klumpfuß, dann hatte er kein Lachen, das nicht nur aus Berechnung etwas für ihn bedeutet. Und dann war er mit seinen Augen nicht zufrieden. Er ist eine ambivalente Figur: auf der einen Seite ein Mephisto, der verführt, ein böser Teufel, und auf der anderen Seite ein klein bisschen bemitleidenswert, eine arme Wurst. Einer, der irgendwie gescheitert ist, mit dem, was er wollte. Diese Ambivalenz hat mich interessiert, zwischen Allmacht und einer Unbeholfenheit in der Bosheit, die er in sich trägt.

AZ: Sie spielen ja häufig solche ambivalenten Figuren ...

von Dohnányi: Ich versuche, möglichst unterschiedliche Sachen zu machen, also historische Filme, auch Geschichten über Politiker und wie jetzt gerade über den Mediziner Robert Koch. Und dann kommt wieder ein Angebot, bei dem ich ganz böse sein darf, wie jetzt in "Timm Thaler". In Liebesromanzen bin ich dagegen selten zu sehen, die begeisterten mich auch als Schauspieler damals am Theater nicht und regten auch meine Fantasie nicht so an wie andere Rollen.

AZ: Ihre Figuren haben immer viele Facetten, man weiß nicht, ob man sie lieben oder hassen soll. Wie kriegen Sie das hin?

von Dohnányi: Das weiß ich nicht. Aber alle haben doch irgendwie ihre Beweggründe. Wenn man die glaubhaft rüberbringt, kann der Zuschauer das nachvollziehen. Er findet es vielleicht nicht richtig, aber bringt dann doch ein bestimmtes Verständnis dafür auf. Und über das Verständnis kann man diese Ambivalenz zeigen.

AZ: Baron Lefuet ist ein Teufel, dem folglich jede Menschlichkeit fehlt, jegliche Fähigkeit zur Empathie. Was verstehen Sie unter Menschlichkeit?

von Dohnányi: Wir sind ständig damit beschäftigt, uns zu optimieren, und vergessen dabei, dass es dabei eigentlich gar nicht um uns selbt geht. Es bringt zum Beispiel niemanden weiter, wenn man seine Falten glätten lässt. Vielleicht ist es ganz gut, später mit Falten in die Kiste zu springen (lacht). Auch versuchen wir immer, sehr korrekt zu sein, aber nur im oberflächlichen Bereich. Dabei geht die Moral total flöten. Die Geschäfte werden immer skrupelloser. Das Äußerliche wird immer glatter, immer mehr nach Schein optimiert, und das Sein selber wird immer weniger hinterfragt.

AZ: Der Film enthält die ein oder andere pädagogisch wertvolle Botschaft. Welche ist für Sie die wichtigste?

von Dohnányi: Es gibt nichts dagegen einzuwenden, für seine Wünsche einzutreten. Es gibt hingegen viel dagegen einzuwenden, dabei rücksichtslos zu werden. Hinzu kommt der Aspekt, dass man sich und seine Ideale nicht verkaufen sollte. Und dass der Konsum und die irdischen Güter wirklich nicht das sind, was uns im Herzen glücklich macht. Es geht vielmehr darum, freundschaftliche, familiäre Beziehungen zu pflegen und mit sich selbst im Reinen zu sein. Das ist eigentlich das, was den Film ausmacht und was ich spannend finde.

AZ: Gelingt es Ihnen, Ihren Idealen zu folgen?

von Dohnányi: Ich versuche beruflich hinter meinen Projekten auch wirklich stehen zu können. Es gibt natürlich auch ganz banale wirtschaftliche Zwänge, weil man die und die Rechnung zu bezahlen hat. Das Leben ist kein Wunschkonzert. Aber ich versuche diese Frage so aufrichtig wie möglich für mich zu beantworten und nur die Dinge zu machen, von denen ich überzeugt bin.

Von Heidi Reutter