Axolotl Overkill
Filmbewertung: Zeitverschwendung
Starttermin: 29.06.2017
Regisseur: Helene Hegemann
Schauspieler: Jasna Fritzi Bauer, Arly Jover, Mavie Hörbiger
Entstehungszeitraum: 2017
Land: D
Freigabealter: 12
Verleih: Constantin
Laufzeit: 94 Min.
Jasna Fritzi Bauer
"Ich war früher sehr aggressiv"
Mit gerade mal 28 Jahren hat Jasna Fritzi Bauer erreicht, wofür andere Kollegen auch mal ein Leben brauchen: Die Halb-Schweizerin und -Chilenin ist Trägerin des Max-Ophüls-Preises, des Bayerischen Filmpreises und hat bereits eine veritable Karriere an den großen deutschsprachigen Bühnen hinter sich. Nach Filmen wie "Barbara" (2012) von Christian Petzold und "About a Girl" (2014) spielt die Wahlberlinerin mit dem bosnischen Vornamen in "Axolotl Overkill" (Kinostart; 29.06.) nun den identitätslosen Teenager Mifti, der mit seinem Leben und der Welt hadert. Mit ihr selbst hat das natürlich nichts zu tun; im Gespräch ist Jasna Fritzi Bauer sehr höflich, fast schüchtern beantwortet sie die Fragen. Zwischendurch ein mädchenhaftes Kichern.

AZ: Hatten Sie vor dem Film beziehungsweise vor dem Buch schon mal was von einem Axolotl gehört?

Jasna Fritzi Bauer: Ja, weil ich den lustigerweise mal in Wien im Museum gesehen habe. Da gibt es im Naturhistorischen Museum so eingelegte Tiere. Und da ist auch ein Axolotl dabei.

AZ: Als das Buch herauskam, wurde die Autorin und heutige Regisseurin Helene Hegemann erst gefeiert und dann aufgrund von Plagiatsvorwürfen angefeindet. Konnten Sie das nachvollziehen?

Bauer: Ich kann das überhaupt nicht verstehen, weil ja in den neuen Versionen des Buches die kopierten Texte gekennzeichnet sind. Ich finde es aber unglaublich, wie die Medien jemanden erst so feiern und dann so niedermachen. Und dass alle immer noch im Glauben sind, dass das ganze Buch abgeschrieben sei, was ja nicht der Fall ist.

AZ: Obwohl sie Ende 20 sind, spielen Sie im Film eine 16-Jährige. Was ist eigentlich das Geheimnis Ihres jugendlichen Aussehens?

Bauer: Es sind die Gene! Meine Eltern sehen auch sehr, sehr jung aus.

AZ: Der Film erzählt davon, wie ein Mädchen versucht, erwachsen zu werden. Und das in einer Welt, die ihr nicht besonders gefällt. Haben Sie als Teenager ähnliche Erfahrungen gemacht?

Bauer: Ich komme aus Wiesbaden, da ist ja alles ein bisschen kleiner und bisschen spießiger. Solche Party-Exzesse wie im Film kannte ich also nicht. Aber was die Empfindungen angeht, wie man sich so fühlt als Teenager, das kenne ich natürlich.

AZ: Aber waren Sie auch so wütend auf die Welt?

Bauer: Klar, das kommt halt mit der Pubertät, mit den chemischen Prozessen, die da im Gehirn stattfinden. Ich war damals ehrlich gesagt sehr aggressiv, aber das lässt sich ja alles chemisch erklären, mit den Hormonen. Deswegen sind Teenager so anstrengend. (lacht)

AZ: Es ist nicht das erste Mal, dass Sie eine Frau spielen, die wesentlich jünger ist als Sie selbst. Wie schafft man es, sich plötzlich wieder in einen Teenager hineinzufühlen?

Bauer: Das Gute ist ja, dass es Figuren sind, die trotz ihres Alters relativ erwachsen sind. Deshalb funktioniert das bei mir natürlich. Ich mache mir da aber gar nicht so viele Gedanken, wie ich da jetzt rangehe oder wie ich das genau spielen soll. Denn das kann ich, glaube ich, gar nicht mehr nachempfinden. Ich spiele intuitiv und überlege nicht, ob ich mich jetzt wie eine 16-Jährige verhalte. Ich mache einfach irgendwas und hoffe, dass ich damit hinkomme.

AZ: Neben ihrem Bauchgefühl können Sie auch auf das vertrauen, was Sie an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" in Berlin gelernt haben.

Bauer: Ja, die Ausbildung an einer Schauspielschule war mir wichtig, weil ich ja immer Theater machen wollte und man da einfach ein Handwerk lernt.

AZ: Sie spielen ja öfter solche wütenden, rebellischen Mädchen, zum Beispiel auch in "About a Girl" - sind das Rollen, die Ihnen liegen? Oder ist das der mangelnden Fantasie des Castings geschuldet?

Bauer: Ich denke, es sind das Casting oder die Redakteure. Natürlich versuche ich, mich ein bisschen anders zu platzieren, weil ich keine Lust habe, noch zehn Jahre lang diese Figuren zu spielen. Ich habe jetzt gezeigt, dass ich das kann. Und ich mache das auch gerne wie im Falle von Helenes Film. Da hatte ich eigentlich gar keinen Bock mehr, aber weil es ein tolles Buch war, habe ich zugesagt. Wenn das Buch mich überzeugt, bin ich sowieso dabei. Aber es ist schon schwer, aus so einer Schublade wieder rauszukommen.

AZ: Auf welches Drehbuch warten Sie?

Bauer: Auf etwas Unerwartetes. Eine Rolle, bei der man nicht gleich an mich denken würde; eine Figur, die auch für mich eine Herausforderung wäre. Einfach atypisch. Wobei ich nicht weiß, was das wäre.

AZ: "Axolotl Overkill" ist ein bereits ein sehr ungewöhnlicher Film, der sich vom herkömmlichen Erzählkino unterscheidet. Gibt es so etwas im deutschen Kino Ihrer Meinung nach zu selten?

Bauer: Ich finde schon, dass man hierzulande mutiger sein könnte. Aber ich weiß auch durch meine Arbeit, dass viel verhindert wird. Nicht von den Regisseuren, sondern von dem Apparat, der dahinter steht. Wir haben in Deutschland einfach dieses Redaktions- oder Fördersystem, was seinen Platz und seine Berechtigung hat. Aber es gibt in bestimmten Positionen Leute, die zu viel Macht haben. Da werden Drehbücher verändert, weil zuvor Sehgewohnheiten geschaffen wurden, denen man sich nicht traut, aus dem Weg zu gehen. Oder dem Publikum wird nicht zugetraut, dass es noch ein Gehirn hat. Da muss man mal nach Österreich gucken, wo unglaublich gute Filme entstehen. Die radikal sind und lustig und einen schwarzen Humor haben. Solche Leute wie Josef Hader, da könnte man sich eine Scheibe abschneiden. Und das sieht man ja auch in unserem Film, da wird auch nicht alles erklärt.

AZ: Käme für Sie denn in Frage, in einem eher kommerziell ausgerichteten Film von beispielsweise Til Schweiger oder Matthias Schweighöfer mitzuspielen?

Bauer: Wenn das Buch gut ist und ich da Lust drauf habe, würde ich nicht nein sagen. Also ich würde mich nicht verweigern. Ich habe jetzt auch mit Christian Alvart einen eher kommerziellen Film gedreht, "Abgeschnitten" heißt er.

AZ: Sie waren drei Jahre Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater, wurden mit dem Max-Ophüls-Nachwuchspreis und dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet - und das schon mit Mitte 20. Was kommt noch?

Bauer: Darüber denke ich nicht nach.

AZ: Gut, dann anders gefragt: Was treibt Sie an? Ist es die Lust am Spiel? Das Geld?

Bauer: Also, das Geld sicher nicht. Wir verdienen ja nichts. Es ist schon die Lust, sonst würde ich es nicht machen. Wenn mein Beruf zum Beruf wird, dann würde ich eher pausieren, als dass ich weiter arbeiten würde.

Von Heidi Reutter