Sir Anthony Hopkins
Zum Teufel mit Shakespeare!
Es war nicht der riesige Robotersaurier, der angesichts des Trailers zu "Transformers: The Last Knight" am meisten staunen ließ. Auch nicht die spektakulären Verwandlungen der titelgebenden Metallungetüme oder die - nun ja - interessante Ausführung, dass die Ritter der Tafelrunde früher Seite an Seite mit den Transformers kämpften. Vielmehr stellte sich die Frage, was eigentlich Anthony Hopkins - Schüler des legendären Laurence Olivier, Oscarpreisträger und Commander of the Most Excellent Order of the British Empire - inmitten dieses Action-Spektakels verloren hat. Die PR-taugliche Antwort lieferte der 79-Jährige im Rahmen der Werbetour selbst: Weil er Regisseur Michael Bay bewundere! Vielleicht war es aber auch Hopkins' Vater, der ihn zu dieser nur auf den ersten Blick ungewöhnlichen Rollenentscheidung bewog.

Es war irgendwann Anfang der 60er-Jahre, als Anthony Hopkins seinen Eltern berichtete, dass er in einem jakobinischen Stück auftreten würde. "Wird darin geschossen?", fragte ihn sein Vater Richard unbeeindruckt und gab dem Sohn einen gut gemeinten Rat: "Shakespeare und die ganzen Klassiker sind ja schön und gut, aber du willst doch Geld verdienen", zitierte der Schauspieler seinen alten Herren kürzlich in einem Interview mit der "Daily Mail": "Er sagte mir, ich solle es wie Richard Burton machen, nach Hollywood gehen und ordentlich absahnen."

Richard Burton, nur zwölf Jahre älter, war der Lokalheld in Hopkins' walisischem Heimatort Port Talbot, und sein erklärtes Vorbild. Nicht, weil die beiden befreundet waren. Vielmehr beeindruckte den damals 15-Jährigen der Anblick des grünen Jaguars, in der der Hollywoodstar bei einem Heimatbesuch durch die Straßen kurvte. So verabschiedete sich der Bäckerssohn von seinem Plan, Konzertpianist zu werden, und nahm stattdessen Schauspielunterricht. 1965 wurde er von Theaterlegende Sir Laurence Olivier entdeckt und eingeladen, seine Zweitbesetzung am Londoner Royal National Theatre zu werden. Von Olivier erhielt Hopkins den wohl zweitwichtigsten väterlichen Rat seiner Karriere: "Er sagte: 'Nervosität ist Eitelkeit - du sorgst dich, was die Leute über dich denken. Zur Hölle mit ihnen, spring ins kalte Wasser", erinnerte sich der heute weltberühmte Olivier-Schüler 2015 im britischen "Telegraph".

Was andere Leuten denken, nein, das schert Anthony Hopkins wirklich nicht. In all den Jahren seiner Hollywood-Karriere, die 1968 mit "Der Löwe im Winter" begann, machte der Wahlkalifornier nie einen Hehl daraus, dass er dem Business, in dem er arbeitet, nicht viel abgewinnen kann. Kaum etwas findet er, wie er oft betont, schlimmer als Kollegen, die sich zu viel auf ihr Tun einbilden - es sei schließlich auch nur ein Job. Der ganze Zirkus, das Küsschen-Küsschen-Gehabe, es behage ihm einfach nicht, bekennt der diagnostizierte Asperger-Autist offen: "Am ersten Abend des Drehs sagt der Produzent meist: 'Lasst uns alle gemeinsam essen gehen, damit wir uns kennenlernen'. Und ich denke: 'Warum? Ich bin nicht hungrig und will niemanden kennenlernen."

Seine Zeit investiert der Perfektionist stattdessen lieber in seine Vorbereitung. Hopkins verliert sich nicht in seinen Rollen wie die so genannten Method Actors, die sich am Set nur mit ihrem Rollennamen ansprechen lassen und von Hopkins in der "Huffington Post" als "nervtötend" und "unangenehm" tituliert worden. Stattdessen pflegt der seit 2003 zum dritten Mal Verheiratete, seine Drehbuchpassagen mehrfach abzuschreiben, früher handschriftlich, heute auf einer alten Schreibmaschine. Anschließend sagt er jede einzelne seiner Zeilen bis zu 200 Mal vor sich hin, bis sie absolut natürlich klingen - ob er nun einen Arzt ("Der Elefantenmensch", 1980), die Comic-Version Odins (Marvels "Thor"-Reihe) oder den Besitzer eines Androiden-Freizeitparks ("Westworld", 2016) spielt.

Auf diese Weise ging der Hobby-Maler und -Komponist auch die Rolle an, die ihn 1991 weltberühmt machte: Die des kultivierten Kannibalen Hannibal Lector, die ihm den Oscar als bester Hauptdarsteller einbrachte, obwohl er insgesamt nur rund 16 Minuten auf der Leinwand zu sehen war. Eine Rolle, über die er eigentlich kaum noch etwas zu sagen hat, außer, dass er sie nicht für seine beste hielt - "meine besten Darbietungen gab ich in 'Was vom Tage übrig blieb', 'Nixon' und 'Mit Herz und Hand', nicht in 'Das Schweigen der Lämmer'", stellte der vielfach Ausgezeichnete in der "Daily Mail" klar.

Doch er weiß, was er Hannibal Lector zu verdanken hat: "Meine Mutter starb in diesem Sommer im stolzen Alter von 89 Jahren", meinte Hopkins 2003 im Gespräch mit der Nachrichtenagentur teleschau. "Ihre letzten Monate verbrachte sie friedlich und bei bester professioneller Pflege in meinem Haus in Kalifornien. Ich bin diesem Menschen fressenden Gentleman überaus dankbar dafür, dass ich ihr das ermöglichen konnte." Wer weiß also, was ihm sein Part ins der "Transformers"-Saga noch ermöglichen wird.

Von Annekatrin Liebisch