Boston
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 23.02.2017
Regisseur: Peter Berg
Schauspieler: Mark Wahlberg, Michelle Monaghan, John Goodman
Entstehungszeitraum: 2016
Land: USA
Freigabealter: 12
Verleih: Studiocanal
Laufzeit: 133 Min.
Mark Wahlberg
"Ein Sohn dieser Stadt"
"Die Anschläge haben die Stadt verändert", sagt Mark Wahlberg. Wenn der Schauspieler und gebürtige Bostoner so über seine Heimatstadt spricht, meint er das nicht unbedingt negativ. Nach jenem 15. April 2013, an dem zwei Bomben am Rande des Marathonlaufs drei Menschen zerfetzten, seien die Bewohner enger zusammengerückt. Auch das wollte Wahlberg mit "Boston", der Verfilmung der Anschläge, zeigen. Sie kommt am 23. Februar in die Kinos. Als Produzent stieg der 45-Jährige in das durchaus umstrittene Projekt mit ein, weil er sicherstellen wollte, dass aus einem sehr sensiblen Thema kein reines Terror-Spektakel gemacht werde. Dies sei gelungen, bekräftigt Wahlberg im Interview: "Mit dieser Verfilmung kann ich in den Spiegel schauen!"

AZ: Herr Wahlberg, stimmt es, dass Sie an dem Film über den Anschlag auf den Boston-Marathon zunächst nicht mitwirken wollten?

Mark Wahlberg: Ich hatte tatsächlich Bedenken. In Boston selbst wurde viel über eine Verfilmung der Anschläge gesprochen. Einige waren der Meinung, sie käme zu früh. Sie wollten nicht wieder an diesen 15. April vor gerade einmal knapp vier Jahren erinnert werden. Andere befürchteten, eine Hollywood-Verfilmung würden diese furchtbaren Tage als bloßes Spektakel einer Terroristenjagd darstellen.

AZ: Was hat Sie umgestimmt?

Wahlberg: Ich komme aus Boston, ich bin in der Stadt aufgewachsen. Auch wenn ich nun schon sehr lange in Los Angeles wohne, habe ich noch viele Freunde, Familienmitglieder und Bekannte in meiner Heimatstadt. Es fiel mir also leicht, über die geplante Verfilmung mit ihnen zu sprechen. Schnell wich meine Skepsis. Ein Vertrauen wuchs. So habe ich erfahren, wie sich auch Opfer und direkte Augenzeugen der Explosionen damals in der Boylston Street eine Verfilmung vorstellen könnten.

AZ: Welche Vorstellungen hatten die Betroffenen?

Wahlberg: Sie wünschten sich einen respektvollen Umgang mit den Opfern. Genauer hieß das beispielsweise, die unmittelbaren Folgen der Explosionen damals im Bereich des Zieleinlaufs des Marathons sollten nicht zu drastisch dargestellt werden.

AZ: Sie sind dem nachgekommen?

Wahlberg: Die Explosionen und die Panik unmittelbar darauf sind im Film durchsetzt mit Originalaufnahmen, unter anderem aus Überwachungskameras. Das gibt "Boston" etwas Dokumentarisches. Auch klärt meine Figur Sergeant Tommy Saunders den Boston-Fall nicht etwa in einem Alleingang. Wir wurden darum gebeten, den Film so authentisch und nah wie möglich an den wahren Begebenheiten zu halten. Dem sind wir nachgekommen.

AZ: Schließlich produzierten Sie den Film sogar mit. Warum?

Wahlberg: Neben "Boston" waren mit "Stronger" mit Jake Gyllenhaal und einer weiteren Verfilmung urplötzlich drei Streifen über das Attentat geplant. Ich hatte das Gefühl, ich müsste bei wenigstens einem dieser Filme eine Verantwortung mittragen. Schließlich bin ich ein Sohn dieser Stadt. Und deshalb wollte ich auch sicherstellen, dass der Film dieses für Boston sehr belastende Thema auch sensibel behandelt.

AZ: Zeichnet "Boston" unterm Strich ein würdevolles Bild sehr schwerer und bedeutender Tage der Stadt?

Wahlberg: Ich selbst kann zumindest in Spiegel schauen.

AZ: Dennoch sind kritische Stimmen, der Film käme zu früh, nie ganz verstummt. Auch Professoren von der renommierten Harvard-Universität hatten sich in diese Richtung geäußert.

Wahlberg: Die meisten Reaktionen auf den Film allerdings haben gezeigt, dass viele Bostoner mit dem Zeitpunkt einverstanden waren - auch wenn man es letztendlich nicht allen recht machen kann. Ich denke, der Film konnte gar nicht früh genug kommen. Denn er zeigt auch den ungeheuren Zusammenhalt in der Stadt nach den Anschlägen. Dass die Menschen damals so zusammengerückt sind, hat mich besonders stolz gemacht. Dieser Spirit ist übrigens auch heute noch zu spüren. Die Menschen sind aufmerksamer geworden. Sie achten wieder mehr aufeinander.

AZ: Wie erfuhren Sie damals im April 2013 davon, was gerade in Ihrer Heimatstadt passiert ist?

Wahlberg: Ich war im Auto auf dem Weg vom Flughafen und hörte es im Radio.

AZ: Hat sich dadurch etwas für Sie verändert?

Wahlberg: Es macht schon einen Unterschied, ob irgendwo auf der Welt ein Unglück geschieht oder vor der eigenen Haustür. In Boston kennt heute noch jeder jemanden, der irgendwie von den Anschlägen betroffen war. Ob er nun direkt vor Ort war, es in der Familie Verletzte gab oder irgendjemand vielleicht sogar Kontakt zu den Attentätern hatte. Ich persönlich musste gerade an den Tagen darauf, als einer der Attentäter sogar noch gesucht wurde, sehr viel an meine Familie denken.

AZ: Was bedeutet das?

Wahlberg: Ob ich will oder nicht, als Vater von vier Kindern bin ich heute besorgter. Nun weiß ich, auch ihnen könnte immer und überall etwas passieren. Und sei es nur, wenn wir zu einem Football-Spiel ins Stadion gehen. Die Instinkte, meine Kinder unbedingt beschützen zu wollen, wurden durch die Geschehnisse in Boston noch einmal gestärkt. Darüber habe ich mich auch länger mit meinem Bruder Donnie unterhalten. Wir haben beide festgestellt, dass wir zuvor eher gedankenloser gewesen sind.

Von Andreas Schöttl