Die Hände meiner Mutter
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 01.12.2016
Regisseur: Florian Eichinger
Schauspieler: Andreas Döhler, Jessica Schwarz, Katrin Pollitt
Entstehungszeitraum: 2016
Land: D
Freigabealter: 12
Verleih: Farbfilm
Laufzeit: 106 Min.
Jessica Schwarz
"Keiner verdient damit das große Geld"
Jessica Schwarz hat ausgesprochen gute Laune. Beim Interviewtermin in einem Münchner Designhotel macht es sich die 39-Jährige im Sessel mit Blick auf den Viktualienmarkt bequem. Im Schneidersitz lauscht sie konzentriert den Fragen, die sie ausführlich und reflektiert beantwortet. Sie kommt gerade von den Dreharbeiten zu einer romantischen Komödie und sprüht über vor Energie. Ein fröhliches Projekt scheint sie nach "Die Hände meiner Mutter" (Start: 01.12.) gebraucht zu haben: In dem Drama von Florian Eichinger, das nun in die Kinos kommt, spielt sie eine Frau, deren Ehemann in seiner Kindheit sexuell missbraucht wurde - von der eigenen Mutter.

AZ: Ein Junge wird von seiner eigenen Mutter missbraucht - was dachten Sie, als Sie das Drehbuch zu "Die Hände meiner Mutter" durchgelesen hatten?

Jessica Schwarz: Zunächst, dass das Buch toll geschrieben ist. Da geht jemand mit Respekt ran und versucht nicht zu provozieren. Es behandelt ein Thema, über das man sprechen sollte und muss, auch wenn man es selbst nicht auf dem Schirm hatte. Die Geschichten von Männern, die von Frauen missbraucht wurden, hört man nicht so oft. Natürlich kann man keinen Vergleich anstellen, ob Missbrauch für Jungen oder Mädchen schlimmer ist. Es ist einfach immer schlimm.

AZ: Ein wichtiger Film zu einem wichtigen Thema. Aber ein großes Publikum finden solche Filme in der Regel nicht.

Schwarz: Ja, aber wir müssen diese Filme machen: Für die Leute, die sich trotzdem dafür interessieren. Und als Schauspieler fühle ich mich auch verpflichtet, so was zu erzählen, weil das der Geschichte und der Moral und auch der Kunst geschuldet ist. Keiner verdient damit das große Geld. Und es wird ja auch immer schwieriger, solche Filme zu produzieren. Auch Florian Eichinger hatte Probleme, Leute zu finden, die den Film unterstützen, auch finanziell. Aber es gibt Filmfestivals und Programmkinos, zu denen die Zuschauer gehen, um genau solche Stoffe zu sehen. Die wollen Programm haben, und für die macht man das. Es ist toll, dass es solche Regisseure wie Florian Eichinger gibt. Ich bewundere Menschen, die sich dem komplett hingeben und sagen: Genau das möchte ich erzählen, das ist meine Erzählwelt.

AZ: Wonach suchen Sie Ihre Rollen aus?

Schwarz: Unterschiedlich. Das Tolle ist, dass mir viele verschiedene Sachen angeboten werden. Mich interessieren eigentlich die Figuren an sich und das, was erzählt wird und ob es mich herausfordert. Und manchmal reizt mich auch der Regisseur.

AZ: Sie haben inzwischen viele bemerkenswerte Rollen gespielt, Romy Schneider zum Beispiel. Gibt es noch eine Rolle, von der Sie träumen? In einer Hollywoodproduktion zum Beispiel?

Schwarz: Ich glaube, dass sich meine Prioritäten verschieben. Ich möchte natürlich tolle Filme machen, aber inzwischen auch noch ausreichend Zeit mit meiner Familie verbringen können. Als Schauspieler muss ich ständig auf irgendwas gefasst sein. Klar kann mit einer Rolle in einem internationalen Film eine ganz andere Maschinerie losgehen. Aber ich habe ja schon tolle Sachen gemacht, ich muss mich in dem Sinne nicht beweisen. Wobei: Ich hätte natürlich Bock auf eine geile Miniserie, in der ich einen tollen Charakter entwickeln könnte.

AZ: Wie gelingt es Ihnen, Privatleben und Job zu verbinden?

Schwarz: Es ist nicht leicht, die Balance finden. Manchmal muss ich der Agentur klar sagen: Nein, jetzt erst einmal keine neuen Anfragen. Jetzt ist mir die Familie und mein Privatleben erstmal wieder wichtiger. Das geht natürlich nur, wenn man es sich leisten kann.

AZ: Zukunftsängste haben Sie also keine?

Schwarz: Na ja, das geht immer in Wellen. Ich hatte auch zwei Jahre, die nicht gut liefen. Ich merkte, dass ich irgendwie verschwunden war. Man muss auch etwas dafür tun, dass man sich seinen Status erhält; muss präsent sein und zeigen, dass man Lust hat und Leidenschaft und wach bleibt. Schauspieler zu sein ist Beruf und Berufung, da gehört mehr dazu, als nur Drehbücher zu lesen und zu- oder abzusagen.

AZ: Sie werden nächstes Jahr 40. In Ihrer Branche ist Altern oft ein Problem - wie geht es Ihnen damit?

Schwarz: Ich mache mir schon Gedanken darüber. Und ich sehe auch in diversen Zeitungen Schauspielerinnen, die was haben machen lassen. Jetzt spiele ich im nächsten "Hanni & Nanni"-Film die Mutter. Meine Schwester sagte kürzlich zu mir: "Früher wollten wir immer Hanni und Nanni sein, und jetzt bist du die Mutter!" "Ja", habe ich gesagt, "und irgendwann bin ich die Oma!" Das lässt sich nicht aufhalten.

AZ: Eitel sind Sie offenbar nur in Maßen. Wie steht's mit dem Ehrgeiz?

Schwarz: Das warf mir mal ein Regisseur bei der Berlinale vor, dass ich so ehrgeizig wäre. Ich fragte mich, wo das herkam. Ich glaube, dass ich einen gewissen Ehrgeiz von Haus aus mitbekommen habe: Dass man gewisse Dinge machen muss, um was erreichen zu können. Aber ich nehme dafür nicht den Ellenbogen, und ich bin auch niemand, der egoman ist. Da ist mein Gemüt zu positiv.

AZ: Aber unter Schauspielkollegen dürfte das Thema Neid durchaus präsent sein, oder?

Schwarz: Klar hätte man manchmal eine Rolle auch gern gespielt. So etwas darf man auch denken, aber ich will mich nicht groß darüber aufregen. Ich frage mich dann eher, ob ich nicht genug dafür getan habe. Richtigen Neid lass ich nicht an mich ran, ich bin nur verunsichert. Ich bin ein Teamplayer und wenn ich das Gefühl habe, da ist etwas im Raum und fängt an, mich zu stören, dann frage ich nach, was das Problem ist.

AZ: Sie sind quasi eine Quereinsteigerin, haben vor der Schauspielerei moderiert und gemodelt. Haben Sie von dieser Karriere geträumt?

Schwarz: Ich war nicht so zielgerichtet. Ich habe mir schon immer viele Gedanken gemacht, wenn es Scheidepunkte gab. Gehe ich in Richtung Musik oder Schauspiel? Aber ich könnte nicht sagen, dass ich von so einer Karriere geträumt hätte. Meine Eltern besaßen ja einen Kiosk, das war ein großes Paradies. Für mich waren diese Zeitschriften alles, und ich wusste, ich will selbst mal auf diese Titel. Es gab auch nie etwas Anderes, was mich interessiert hätte. Das war immer diese Bühne. Unlängst war ich auf dem Cover der "DB Mobil". Als ich zu dieser Zeit mit der Bahn unterwegs war und mir mein eigenes Gesicht dort überall entgegen grinste, war mir etwas peinlich, da habe ich mich im Zug ganz klein gemacht. Aber klar, wenn an es geschafft hat, fühlt sich das gut an.

AZ: Gibt es auch etwas, das sie aus der Fassung bringt?

Schwarz: Die Menschen, die mir am nächsten sind, können das. Und das ist auch gut so, weil das die echten, die ehrlichen Menschen sind. Dann kann es passieren, dass ich aus der Fassung gerate. Das gehört dazu, dass etwas in mir stark wütet. Und dafür brauche ich dann Spielgefährten.

Von Heidi Reutter