Unsere Zeit ist jetzt
Filmbewertung: überzeugend
Starttermin: 06.10.2016
Regisseur: Martin Schreier
Schauspieler: Cro, Til Schweiger, Peri Baumeister
Entstehungszeitraum: 2016
Land: D
Freigabealter: 12
Verleih: Warner
Laufzeit: 118 Min.
Marc Benjamin
Von Lucky Luke, Freiheit und Verantwortung
Von der Theaterbühne bis auf die große Leinwand: Marc Benjamin ("Luis Trenker - Der schmale Grat der Wahrheit") hat in seiner jungen Karriere bereits viel gesehen. Nach der Schauspielschule folgte ein Engagement an den Münchner Kammerspielen, auch zum Fernsehen ("The Team", "Homeland") zog es den in Basel geboren Chirurgensohn, der als Künstler auf seinen Nachnamen (Stähelin) verzichtet. Nun scheint Marc Benjamin so richtig durchzustarten. Im Oktober sieht man den 30-Jährigen in "Unsere Zeit ist jetzt" , einer Kinokomödie über den deutschen Rapper Cro ("Traum"), und in dem außergewöhnlichen ARD-Film "Die Büffel sind los!" (21.10., 20.15 Uhr) in der Rolle eines modernen Cowboys auf der Schwäbischen Alb. Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch - vorgestellt hat sich der Wahlmünchner das so alles nicht, wie er im Interview erklärt.

AZ: Für "Die Büffel sind los" haben Sie mit vielen Tieren gedreht. Gab es Berührungsängste?

Marc Benjamin: Im Nachhinein hat das schon großen Spaß gemacht. Im Moment selber hatte ich wortwörtlich tierischen Respekt. Vor diesen Riesenbüffeln, die alle zwei Zentimeter entfernt um einen rumstanden. Prinzipiell stehen die da und fressen Gras. Aber wenn sie mit ihren Riesenhörnern ihren Kopf drehen und nicht begreifen, wer da links und rechts neben ihnen steht, dann kann dich das schon mal ein paar Meter wegschleudern - oder mal zufällig aufspießen.

AZ: Konnten Sie vor dieser Rolle denn schon reiten?

Benjamin: Nein, ich musste das extra für den Film lernen. Wir sind schon Wochen davor immer wieder auf die Schwäbische Alb gefahren und hatten dort Reitunterricht. Ganz ehrlich: Ich dachte nie, dass Reiten groß mein Ding ist - aber das Leben hat mich eines Besseren belehrt. Ich will das auch in Zukunft weiter machen. Ich habe ein neues Hobby gefunden.

AZ: Western scheint gerade wieder im Kommen zu sein. Was gefällt den Zuschauern daran?

Benjamin: Ist das so? Vielleicht liegt es daran, dass die Leute sich wieder mehr nach dieser Freiheit sehnen. Weil wir immer mehr in einer Gesellschaft voller Regeln und Gesetzen leben und wir wieder das Bedürfnis haben, auf ein Pferd zu springen und gen Sonnenuntergang zu reiten.

AZ: Hat der Film Ihnen denn ein Gefühl von Freiheit gegeben?

Benjamin: Das ist automatisch so, wenn man monatelang auf dieser schwäbischen Alb verbringt. Wenn man die Weite, die Natur dort hat und den ganzen Tag nichts anderes tut, als zu reiten und diese Luft zu atmen. Das ist schon alles sehr entschleunigend - da stellt sich dieses Gefühl von Freiheit und Sorgenlosigkeit relativ schnell ein.

AZ: Sie sind auch auf dem Land aufgewachsen.

Benjamin: Beides, ich bin in der Stadt geboren und dort auch teilweise aufgewachsen, aber war auch zehn Jahre auf dem Land. Ich bin eigentlich ein Stadtkind. Aber ich merke immer mehr, wieviel Ausgleich es schafft, in die Berge oder ans Meer zu fahren. Aber ich werde immer irgendwo in der Stadt bleiben und mich in die Natur zurückziehen.

AZ: Ihre Rolle Max ist etwas eigen: eher introvertiert und eigenbrötlerisch. Sind Sie ihm ähnlich?

Benjamin: Ich bin schon so ziemlich das Gegenteil von der Rolle. Ich musste weit suchen, um da Gemeinsamkeiten zu finden. Dass er so eigenbrötlerisch ist, hat ja nur die Ursache, dass er verantwortlich ist und das schon in jungen Jahren - für die ganze Familie, den ganzen Hof, das Geld. Er ist gezwungen, Entscheidungen zu treffen für alle anderen und dann auch mit den Konsequenzen zu leben. Diese Eigenschaft hat mich sehr interessiert - sie macht ihn automatisch zum Einzelgänger.

AZ: Diese Art von Verantwortung kennen Sie nicht?

Benjamin: Nicht in dieser Form. Ich habe keine Verantwortung für eine Familie, sondern in erster Linie für mich selbst. Ich habe keinen Druck, weil ich Entscheidungen für andere Leute treffen muss, für das Wohl der anderen. Ich schneide mir da aber gerne eine Scheibe von Max ab, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen.

AZ: Max lebt schon immer auf dem Hof, für ihn scheint es keine Alternative zu geben. Wollten Sie denn schon immer Schauspieler werden?

Benjamin: Seit ich denken kann, habe ich diesen Wunsch. Ich hatte nie eine Alternative, habe mich geweigert, Plan B aufzustellen - und bin froh, dass es geklappt hat. Meine Familie hat das erst mal als naiven Kinderwunsch abgetan und musste dann irgendwann feststellen, dass der kleine Marc das tatsächlich durchzieht.

AZ: Warum wollten sie das als Kind?

Benjamin: Ich hab tatsächlich keine Ahnung, ich weiß es überhaupt nicht. Nur, dass ich in jungen Jahren gerne als Cowboy verkleidet durchs Haus gerannt bin und irgendwelche fiktiven Gegner abgeschossen habe. Und mit dem Spiegel gesprochen habe.

AZ: Kein Idol aus dem Fernsehen oder Kino?

Benjamin: "Lucky Luke" und "Kevin - Allein zu Haus".

AZ: "Lucky Luke" - das passt geradezu perfekt zu "Die Büffel sind los!". Ist Western Ihr Genre?

Benjamin: Ja, mit dem Film hat sich ein Kreis geschlossen. Ich bin auch ein Riesenfan von Bud Spencer und Terence Hill. Ich bin mit diesen Filmen aufgewachsen, das hat eine große Familientradition bei uns. Natürlich habe ich auch die älteren Western damals, die mein Vater geguckt hat, mitgekriegt.

AZ: Sie haben lange Theater gespielt, verschiedenste Rollen auch in internationalen Serien übernommen, jetzt sieht man Sie in "Unsere Zeit ist jetzt". Haben Sie sich Ihre Karriere so vorgestellt?

Benjamin: Nein, so habe ich mir das überhaupt nicht vorgestellt. Ich wusste auch nie, dass ich mal im Theater landen werde. Da hat sich so ergeben. Ich habe mich ins Theater verliebt und bin dort fünf Jahre geblieben. Ich wollte auch nie nach Deutschland, auch das hat sich so ergeben. Meine ganze Karriere war bisher doch sehr überraschend.

AZ: Haben Sie nicht mit dem Erfolg gerechnet?

Benjamin: Ich habe schon relativ viel Glück gehabt bisher, muss ich sagen. Alles hat geklappt, ich musste wenige Durststrecken erleben. Das habe ich mir natürlich gewünscht. Dass es tatsächlich so eingetroffen ist, überrascht mich, es macht mich glücklich.

AZ: Sie sagen, Sie hätten sich ins Theater verliebt - was ist so besonders daran?

Benjamin: Ich wollte mein ganzes Leben immer nur zum Film. Ich bin nach München auf die Schauspielschule gegangen, weil man mir gesagt hat, das sei der Weg für einen Schauspieler. Es war aber eine Theaterausbildung. Ich habe mich ins Theater verliebt, auch in die deutsche Theaterliteratur. Als ich das Angebot von den Münchner Kammerspielen bekam, konnte ich schwer Nein sagen. Die Liebe ist gewachsen, ich habe mich dort fünf Jahre wohlgefühlt und gemerkt, ich brauche gar nichts anderes.

AZ: Was ist der Unterschied zu Film und Fernsehen?

Benjamin: Ich will nicht sagen, dass das eine schöne ist als das andere. Es ist etwas komplett anderes für mich. Theater ist ein eigener Kosmos, das hat viel mehr mit dem Grundgedanken "Spielen" zu tun: sich ausprobieren, Fehler machen, Quatsch machen. Es war eine kleine Familie, mit der man über die lange Zeit gearbeitet hat. Beim Film ist es ganz anders: Du machst ein Projekt, dann ist es abgehakt, es gibt ein Resultat, man geht zum nächsten und lernt wieder neue Leute kennen. Das ist viel technischer. Und im Theater hat man auch das ultimative Feedback der Zuschauer, womit man dann spielen kann.

AZ: Sie nennen es eine kleine Familie. Schätzen Sie am Theater auch, dass es einen regelmäßigeren Alltag bietet?

Benjamin: Ja, der Alltag ist auf jeden Fall getakteter, weil man nonstop Proben und abends Vorstellungen hat Das ist ziemlich festgefahren. Deswegen kommt man auch zu nichts anderem, steckt in dieser Familie ein bisschen fest. Beim Film ist es ganz anders - der Rhythmus ist sehr unregelmäßig, man weiß nicht, wann ein Projekt kommt und muss sich seinen Alltag mehr selbst strukturieren.

AZ: Wollen Sie zurück zum Theater?

Benjamin: Ja, auf jeden Fall. Ich weiß noch nicht wann, aber ich komme wieder.

AZ: Wenn Sie es sich aussuchen könnten - wen würden Sie gerne einmal in Film oder Fernsehen spielen?

Benjamin: Tatsächlich wäre das in nächster Zeit mal ein Remake von "Lucky Luke". Vielleicht liest das irgendjemand da draußen und dann passiert es tatsächlich.

Von Antonia Hofmann