Affenkönig
Filmbewertung: akzeptabel
Starttermin: 13.10.2016
Regisseur: Oliver Rihs
Schauspieler: Hans-Jochen Wagner, Samuel Finzi, Oliver Korittke
Entstehungszeitraum: 2016
Land: D / CH
Freigabealter: 16
Verleih: Port-au-Prince
Laufzeit: 98 Min.
Oliver Korittke
"Von der Power her sind Kinski und ich ungefähr gleich"
Spätestens nach seinem denkwürdigen Auftritt als Keek in Peter Thorwarths Ruhrpott-Hit "Bang Boom Bang" hatte Oliver Korittke seinen Stempel weg: Der Chaot, der Berufsjugendliche, der Verpeilte, "der liebenswerte Loser", wie es der 48-Jährige selbst ausdrückt. In "Affenkönig" (Start: 13. Oktober) von Oliver Rihs ("Schwarze Schafe") darf der passionierte Turnschuhsammler seiner angestammten Rolle als Antiheld entfliehen und seinem Repertoire einen sensiblen Autor und Hausmann hinzufügen. Im Interview plaudert Korittke über die Mitte des Lebens, Horoskope und was er mit Klaus Kinski gemeinsam hat.

AZ: "Affenkönig"-Regisseur Oliver Rihs gab Ihnen die Rolle des zahmen Hausmanns. Hätten Sie das an seiner Stelle auch gemacht?

Oliver Korittke: Betrachtet man die anderen Rollen, wäre ich eher Jolly Boy oder auch der Affenkönig selber, die sind näher dran. Ganz ehrlich, hätte er mir die angeboten, wäre ich auch dabei gewesen. Es war ein super Buch und ein tolles Ensemble. Da mitzumachen und eine Rolle zu spielen, die man sonst nicht spielt, war für mich ein Glücksgriff. Ich habe Rihs gefragt, ob er weiß, was ich sonst mache - und er wollte mich genau deshalb. Das Vertrauen gab mir Kraft und Ruhe.

AZ: Sie sprechen von Rollentypen, die bedient werden. Gibt es solche Kategorien für Sie als Schauspieler?

Korittke: Einige Schauspieler werden nie den Liebhaber spielen, andere sind immer Bösewichte. Ich bin ganz gerne mal der liebenswerte Loser. Die Leute sehen in mir nicht den harten Killer oder den intellektuellen Familienvater. Nach "Bang Boom Bang" ist das mein Schicksal.

AZ: Das muss nichts Schlimmes sein. Die Sprüche Ihres Keek aus "Bang Boom Bang" werden immer noch zitiert.

Korittke: Das ist der Wahnsinn. Wir feiern in drei Jahren 20-jähriges Jubiläum. Der Film läuft immer noch in diesem Pott-Kino in Bochum an jedem Sonntag. Da gehört er auch hin! Es gab keinen Film in Deutschland, der 20 Jahre im Kino lief. Ein Glücksgriff, der mir ewig nachhängen wird, aber mich auch treibt. Mich spornt an, das in irgendeiner Art zu toppen und bewahrt mir die Offenheit für meinen Beruf.

AZ: In "Affenkönig" gehört Ihnen wieder eine der einprägsamsten Szenen. Sie radeln in Damenwäsche eine Tour-de-France-Etappe. Wie war das?

Korittke: Die absolute Hölle, aber es hat tierischen Spaß gemacht. Wann fährst du mal im Negligee den Mont Ventoux hoch? Du hast Schmerzen, dir tun die Beine und der Arsch weh, im Tal ist es kochend heiß, oben hat es sechs Grad und Wind. Du kommst da nur in ganz kleinem Gang hoch. Wir sind zwar nur Teilstücke gefahren, aber die dafür öfter. Du weißt, du hast danach noch eine schwere Szene. In der musste ich ein Gedicht vortragen.

AZ: Der Film thematisiert den Lebensabschnitt, der mit dem 45. Lebensjahr erreicht ist. Was schätzen Sie an dieser Lebensphase?

Korittke: Man ist viel weiser. Mittlerweile kann man etwas von mir lernen. Seit ich 30 oder 35 bin, tappe ich nicht mehr in manche Falle rein, weil man drübersteht und Lebenserfahrung mitbringt. Man hat was zu sagen. Mit 20 war das nicht so.

AZ: Muss man erst manche Krisen durchlebt haben?

Korittke: Daraus ergeben sich Erfahrungen. Man muss nicht alles Gute oder auch alles Schlechte mitnehmen, aber man muss akzeptieren und reifen. Und sich immer weiter entwickeln, das ist wichtig. Man kann mir noch eine ganze Menge beibringen. Ich bin ein Quotenjugendlicher, muss hier nicht im Anzug sitzen, wenn ich mich nicht danach fühle. Ich mache das, wenn es für mich passt. Ich war immer sehr realistisch und natürlich. Das macht mich als Person aus. Ich habe oft mein Maul zu früh, zu lange und zu laut aufgemacht, bin damit aber relativ gut gefahren. Ich lebe nach dem Schema: Lieber 'nen guten Freund verlieren als eine Pointe verschenken. Natürlich nicht wirklich, aber ich liebe den Spruch. Ich kann Sprüche, die mir durch den Kopf rattern, nicht liegen lassen. Meist ist das nicht böse gemeint.

AZ: Fällt Ihnen ein Beispiel für eine solche Situation ein?

Korittke: Kürzlich bin ich für eine Produktion von einem Auto abgeholt worden, das nicht sonderlich gepflegt war und roch. Da habe ich den Fahrer gefragt, ob er damit vorher nasse Hunde transportiert hat. Meine Frau guckte mich groß an. Der Typ musste schmunzeln. Das ist manchmal zu viel, aber ich komme aus Berlin-Steglitz. Das kannst du in München nicht machen, aber zum Beispiel im Pott schon.

AZ: Ist das für Ihren Beruf eher nützlich oder doch kontraproduktiv?

Korittke: An bestimmten Stellen, was Produzenten oder Redaktionen angeht, eher kontraproduktiv. Aber Regisseure nehmen lieber jemanden, der geradeaus ist. Das kommt immer auf den Menschen an. Früher wollte ich den Leuten gefallen. Ich habe auch viele Fehler gemacht. Ich habe aber immer gesagt, ich mache den Beruf um schön zu leben und lebe nicht für den Beruf. Du kannst nicht in jedem Film gut sein. Manchmal klappt's am Set nicht oder du hast private Probleme und dann bist du eben mal nicht so gut.

AZ: Das Publikum fragt sich immer wieder, warum spielt nun der diese Rolle oder sitzt in jener Talkshow?

Korittke: Ich sage die Hälfte von dem ab, was ich machen könnte. Ich kann auch nicht in Talkshows. Stellt mir da einer die falsche Frage, sage ich, was ich denke - und das wäre nicht gut. Deshalb halte ich mich da fern. Ich will nicht meinen Senf zur AfD oder fünf politischen Themen an einem Abend abgeben. Ich will nicht wie einst Klaus Kinski wütend aus der Sendung stapfen.

AZ: War Kinski da vielleicht anders gestrickt?

Korittke: Von der Power her sind Kinski und ich ungefähr gleich. Bei mir hört sich das härter an, wenn ich etwas sage und dabei nach vorne gehe. Dafür kann man mich aber schnell wieder in den Arm nehmen. Ich bin halt ein Widder.

AZ: Glauben Sie an die Macht der Sterne?

Korittke: Es ist eher ein Spiel in meinem Kopf. Wenn ich irgendwo ein Horoskop sehe, muss ich es lesen. Ich glaube, dass es mir sonst Pech bringen würde. Natürlich weiß ich, wie die aufgebaut sind und dass das immer zutrifft. Man muss wissen, was einem gut tut.

AZ: In Ihrem Leben hat sich kürzlich etwas verändert: Sie sind Vater einer Tochter geworden.

Korittke: Eine Nabelschnur durchzuschneiden, das ist das Größte. Das ist viel wichtiger als eine Hochzeit. Ich bin selbst bei meiner Großmutter und meiner Mutter aufgewachsen. Das möchte ich bei ihr in jedem Fall verhindern. Wir wollen das Kind in jedem Fall so großziehen, dass unsere Tochter immer eine Mutter und einen Vater hat. Andere Kollegen haben drei Kinder mit drei verschiedenen Partnerinnen. Ich habe mir immer ein Kind gewünscht und habe jetzt die richtige Frau gefunden. Das passt alles und dafür bin ich dankbar. Vor zehn Jahren wäre ich dafür noch nicht bereit gewesen und hätte auch noch nicht die richtige Frau gehabt.

AZ: Irgendwann werden Sie mit Ihrer Tochter über die Schule sprechen. Ihre Schulkarriere fiel eher kurz aus.

Korittke: Ich werde ihr sagen, dass ihr alles tausend Mal leichter fallen wird, wenn sie Abitur macht und studiert. Das ist wichtig. Ich werde ihr erklären, dass ich sehr viel Glück hatte, mit meinem Erweiterten Hauptschulabschluss da zu sein, wo ich jetzt bin. Das hätte auch in der Kneipe enden können. Aber wenn sie Kassiererin werden will, darf sie das. Ich glaube ja, dass sie unbedingt Schauspielerin werden will ... und das werde ich ihr verbieten! (lacht)

AZ: Die Berufswahl läge nahe.

Korittke: Kinder wollen oft das machen, was sie sehen. Wenn die Eltern Schauspieler sind, liegt das nahe. Ich hatte viel Glück. Ich hätte auch in einer Serie enden können. Hätte mir jemand erzählt, wo das hingeht, hätte ich nicht gedacht, dass ich das mal schaffe. So faul kann ich also nicht gewesen sein. Ich habe meine Jugend für die Branche hergegeben.

AZ: Es ist ja nicht immer alles Glück ...

Korittke: Überhaupt nicht, es ist unheimlich hart und schwierig. Es gibt 5.000 Schauspieler, von denen arbeiten 2.000, richtig arbeiten nur 150, davon 50 ganz gut und zehn wahnsinnig gut. Da bleiben tausende übrig. Wenn ich Schauspielerkollegen treffe, die mir erzählen, dass sie im letzten Jahr fünf Drehtage hatten, denke ich einerseits, was ich für die tun kann und frage mich andererseits, wie die das machen. Das ist eine ganz harte Branche.

Von Denis Demmerle